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Das digitale Bauen verändert die Immobilienbranche

Mit dem Building Information Modeling (BIM) soll die Durchlässigkeit von Planungs-, Bau- und Bewirtschaftungsprozessen erreicht werden. Zug Estates setzt die Methode bei ihren Projekten gezielt ein und gehört zu den Early Adopters.

Philipp Hodel

13. April 2018

Wer sich in der Bau- und Immobilienbranche bewegt, kommt derzeit um drei Grossbuchstaben nicht herum: BIM. Die einen verstehen darunter eine Software, andere stellen sich darunter lediglich ein dreidimensionales Modell eines Gebäudes vor. «Beides ist falsch», erklärt Dr. Johanna Gerum, Projektentwicklerin und Bauherrenvertreterin bei Zug Estates, die klare Vorstellungen von BIM hat: «Einfach ausgedrückt ist BIM nichts anderes als ein 3D-Gebäudemodell, das mit einer Datenbank verknüpft wird.» Die Neuigkeit bei BIM, also das, was die Branche zurzeit in Bewegung setzt, ist der mittlere Buchstabe: das I. Gemeint sind die Informationen, die mit dem Modell verknüpft werden können. «BIM ist ein Hilfsmittel, um die für das Bauen und Betreiben notwendigen komplexen Informationen besser visualisieren und strukturieren zu können. Es können präzise Auswertungen generiert oder komplexe Zusammenhänge visuell dargestellt werden.»

Einheitliche Datengrundlage

Hinter BIM steckt vor allem auch die Idee einer «single source of truth». Das heisst: Jede Information wird nur einmal angelegt, und alle Beteiligten greifen auf die gleiche Datenquelle zu. Konkret bedeutet dies, dass die individuellen 3D-Fachmodelle von Architekt, Elektro-, Sanitär- und Heizungsplaner miteinander zu einem Modell verknüpft und darüber hinaus mit einer Datenbank verbunden werden, sodass ein Projektinformationsmodell entsteht. Dies ermöglicht neue koordiniertere Zusammenarbeitsformen aller an der Planung und am Bau Beteiligten. Projektentscheide können so zeitnah in der erforderlichen Qualität gefällt werden. Der Bauherr sieht bereits viel früher, ob das Planungsteam seine Anforderungen erfüllt. Ein Haus kann komplett digital erstellt und überprüft werden, bevor der erste Bagger aufgefahren ist.

Der Vorteil hiervon liegt auf der Hand. Unzählige Schnittstellen und ein intensiver Datenaustausch zwischen den Baupartnern sind Geschichte, und Kollisionen oder Fehlplanungen können im digitalen Modell beseitigt werden. So können die Kreuzungen von Haustechnikleitungen geometrisch untereinander koordiniert und die Durchbrücke durch statische Wände ortsgenau abgestimmt werden. Dank BIM gehören folgenschwere Fehler aufgrund uneinheitlicher Planungsgrundlagen der Vergangenheit an. Denn Änderungen sind allen Parteien sofort ersichtlich.

Vom Bau bis zum Life-Cycle-Management

BIM eröffnet unzählige Anwendungsmöglichkeiten. Dazu gehören Architekturplanung, Visualisierungen, Bauablaufsimulationen, Kollisionsprüfungen, Kosten-, Massen- und Mengenermittlung oder Norm- und Regelprüfungen und die digitale Unterstützung des Baumanagements auf der Baustelle. Dazu kommt, dass BIM keineswegs nur auf Planungs-und Bauprozesse beschränkt ist. «Mit BIM kann der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes begleitet werden», sagt Johanna Gerum. «In Zukunft werden zum Beispiel Facility-Management-Prozesse BIM-unterstützt ablaufen, etwa Wartungen und Instandsetzungen auf im Modell hinterlegten Wartungsplänen oder Instandsetzungszyklen basieren.»

Gezielter Einsatz bei Zug Estates

Zug Estates hat sich bei ihren BIM-Projekten denjenigen Prozessen zugewandt, von denen man sich das grösste Optimierungspotenzial verspricht. So liegt der Fokus beim Gartenhochhaus Aglaya auf der Unterstützung des Verkaufs der 85 Eigenheimwohnungen. Zu diesem Zweck wurde ein Online-Wohnungskonfigurator entwickelt, der das BIM-Modell mit dem Vermarktungsprozess verknüpft. Alle Kaufinteressenten stellen ihre Wohnungsausstattung mittels Konfigurator eigenständig oder mit Unterstützung des Maklers auf der Vermarktungswebsite zusammen. Nach erfolgter Beurkundung des Wohnungskaufs wird die gewählte Ausstattung aus dem Konfigurator exportiert und elektronisch an die Bauorganisation gesendet. Dort wird sie ebenfalls elektronisch in die Datenbank des BIM-Modells importiert, wo sie ein intelligentes Raumbuch bildet. Dieses wird dann von den Unternehmern und dem Baumanagement auf der Baustelle dank iPads auch konsequent genutzt.

Was bringt BIM?

Trotz klarer Vorteile ist der Nutzen von BIM in der Fachwelt nicht unumstritten. Zug Estates hat ihre Schritte ins digitale Bauen erfolgreich gemeistert, denn die ersten Ergebnisse sind vielversprechend: «Unsere BIM-Projekte sind nicht teurer als konventionell geplante, obwohl es sich durchgehend um Pilotprojekte handelt», betont Johanna Gerum. Zusammengefasst gesagt führe BIM zu einer messbaren Effizienzsteigerung. «Die Termintreue beim Holzhochhaus S22 konnte um 80 Prozent verbessert werden. Zudem waren wir vier Monate schneller fertig als bei einem konventionellen Bau.» Beim Gartenhochhaus Aglaya zeige sich eine signifikant höhere Umwandlungsquote in der Vermarktung. Das heisst, dass weniger Kaufinteressenten benötigt werden, bis ein Verkauf zustande kommt. Auf Käuferseite bestehe zudem keine Kostenunsicherheit, da der Endpreis bei der Beurkundung feststehe. BIM ermöglicht eine effiziente Organisation der Baustellenlogistik und begünstigt das Just-in-Time-Verfahren. Und nicht zuletzt ist BIM eine fast unentbehrliche Ergänzung für das Lean-Construction-Prinzip, das zu wesentlich tieferen Mängel- und Fehlerquoten führt. Das digitale Bauen ist bei Zug Estates angekommen und wird ein unentbehrlicher Begleiter für die künftigen Projekte.

Aus BIM kann von Grundrissplänen über 3-D-Fachplanermodelle bis hin zu zeitanimierten Darstellungen alles generiert werden. Auch gesamtheitliche Simulationen von Ströhmungsanalysen oder Solareinstrahlung sind nützliche Funktionen.

Taktfahrplan reduziert Baumängel

Bei ihren Neuprojekten setzt Zug Estates auf Lean Construction. Damit sollen alle Aktivitäten, die für die Wertschöpfung notwendig sind, optimal aufeinander abgestimmt und ineffiziente Tätigkeiten vermieden werden. Für Bauprozesse bedeutet dies, dass der Bauablauf getaktet wird sowie Arbeitsinhalte und Mitarbeiteranzahl aufeinander abgestimmt und auf eine verbindliche Zeitachse gelegt werden. Damit können Wohnungen immer in der gleichen Arbeitsfolge und in einem vorgegebenen Rhythmus fertiggestellt werden. Natürlich sei Lean Construction auch ohne BIM möglich, erklärt Johanna Gerum. «Damit ihre Vorteile aber voll ausgeschöpft werden können, braucht es eine exakte, mit allen Unternehmern abgestimmte Ausführungsplanung und -Steuerung. Hier ist BIM mit dem informationsreichen Projektinformationsmodell die ideale Ergänzung, das ideale Werkzeug.» Durch die präzise Mengenermittlung per Mausklick und die für alle leicht verständlichen Visualisierungen vereinfacht BIM die Planungs- und Steuerungsaufgaben und ermöglicht schnelle Entscheidungsprozesse. Für die Bauleitung bedeutet dies mehr Transparenz und Überblick sowie mehr Flexibilität und Spielraum bei der Bewältigung von Störungen und unvorhersehbaren Ereignissen. Zusammengefasst gesagt ermöglicht BIM mit Lean Construction eine effiziente, transparente und vorausschauende Planung und Umsetzung. Voraussetzung ist eine enge Kooperation zwischen allen Projektbeteiligten. Partnerschaften gewinnen an Bedeutung.

Ein ungetakteter Bauablauf ist der Ist-Zustand auf vielen Baustellen. Der getaktete Bauablauf mit Lean Construction teilt ihn in identische Zykluszeiten ein. Dazu werden im Vorbereitungsprozess Arbeitsinhalte und Anzahl benötigter Arbeitskräfte verbindlich mit allen Beteiligten festgelegt.
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