Markus Schaefer: Zug entwickelt sich weiter
Das Architekturbüro Hosoya Schaefer hat die Jury zum "Lebensraum Metalli" mit ihrem Konzept überzeugt. Architekt Markus Schaefer zu den Hintergründen und Vorzügen seines Projekts.
Philipp Hodel
08. Mai 2020
Sie haben sich im Rahmen dieses Verfahrens intensiv mit der Metalli beschäftigt. Können Sie etwas zu den Anfängen des Einkaufszentrums sagen?
Markus Schaefer: Die Metalli war eine hervorragende Lösung für eine Stadt im Wandel wie Zug. Sie entstand, nachdem Industrietätigkeiten abgebaut oder verlegt wurden. In dieser Phase wusste niemand, wie sich die Stadt weiterentwickeln wird. Ende der 1980er-Jahre gebaut, brachte die Metalli Stabilität, Sicherheit und funktionale Räume – ideal für eine postindustrielle Zeit.
Haben sich die Voraussetzungen in der Zwischenzeit geändert?
Ja, und zwar grundlegend. Die Stadt Zug wird erwachsen und demzufolge immer städtischer. Die Stadtverantwortlichen haben sehr konkrete Vorstellungen, wie und wohin sich Zug entwickeln soll. Zudem liegt die Metalli heute nicht mehr wie vor 30 Jahren am Stadtrand, sondern äusserst zentral. Ausserdem haben sich im Laufe der Zeit die Anforderungen an einen Standort direkt angrenzend zum Bahnhof geändert.
Welches sind die zentralen Gedanken bei Ihrem Weiterentwicklungsprojekt?
Wir lösen die Metalli aus ihrem Inseldasein heraus und vernetzen sie mit ihrer städtischen Umgebung. Darüber hinaus verbessern wir die Zugänglichkeit für Fussgänger zu den umliegenden Quartieren, dem Bahnhof und zum Naherholungsgebiet Bergli, mehrere Plätze mit individuellem Charakter und unterschiedlicher Funktion sollen entstehen. Der Fokus wird auf das Schaffen von Raum für Begegnung und sozialem Austausch gelegt. Die geplanten Plätze sind Teil eines ausgewogenen, gut organsierten und attraktiven Freiraumsystems. Der grösste – auf den Bahnhof ausgerichtete Platz – dient als Treffpunkt. Unser Konzept sieht ebenfalls vor, die Zugänglichkeit für Radfahrer zu verbessern und die Anordnung der Abstellanlagen zu optimieren. Neben neuen Freiräumen entstehen zusätzliche Mietflächen.
«Der Fokus wird auf das Schaffen von Raum für Begegnung und sozialen Austausch gelegt. Die geplanten Plätze sind Teil eines ausgewogenen, gut organsierten und attraktiven Freiraumsystems.»
Welche Anforderungen müssen diese erfüllen?
Der traditionelle Mix aus Retail, Büro und Wohnen verändert sich in allen Bereichen. Getrieben durch die Digitalisierung, wird zunehmend online eingekauft und der Druck auf den stationären Handel steigt. Retail muss abenteuerlicher, interessanter und gesellschaftlicher werden. Das Vergnügen rückt künftig in den Vordergrund. Die Einteilung der Büroflächen muss flexibler gestaltet werden. Und nicht zuletzt sind in Stadtzentren vermehrt kleinere Wohnungen gefragt. Diesen Entwicklungen muss die «Metalli der Zukunft» Rechnung tragen.
Die Metalli funktioniert heute sehr gut. Weshalb soll etwas an diesem Zustand geändert werden?
Dies ist eine berechtigte Frage. Denn: im Moment funktioniert die Metalli noch sehr gut. Doch wie bereits erwähnt, ändern sich Lebensgewohnheiten, Einkaufsverhalten und Anforderungen an moderne Büroflächen rasant. Damit die Metalli zukünftigen Bedürfnissen und Trends gerecht werden kann, müssen wir die Weiterentwicklung heute in die Hand nehmen. Die Planung und Umsetzung dauert viele Jahre. Der Umbau von Zentren, welche in den 1960er bis 1980er-Jahren gebaut wurden, wird die Schweiz in Zukunft immer häufiger beschäftigen. Die Metalli übernimmt dabei zweifelsohne eine Vorreiterrolle. Ich denke, wir haben mit dem Projekt grosse Chancen, schweizweit ein Zeichen zu setzen.
Worin liegen die grössten Herausforderungen in diesem Projekt?
Während die Gründe für die Umnutzung und Überbauung von ehemaligen Industriearealen, die nicht mehr gebraucht werden, der Bevölkerung kaum erklärt werden müssen, besteht bei Zentren wie der Metalli deutlich mehr Erklärungsbedarf. Des Weiteren muss es gelingen, die Metalli in die Zukunft zu führen, ohne die bestehende Identität zu verlieren. Daher sind wir bei der Planung mit der nötigen Vorsicht ans Werk gegangen.
Was haben Sie aus dem Dialog mit der Bevölkerung mitgenommen?
Die engagierten Rückmeldungen aus der Bevölkerung machten uns wiederholt bewusst, welch hohe Akzeptanz die Metalli geniesst und wie stark sich die Zugerinnen und Zuger mit ihr identifizieren. Deshalb ist bei der Weiterentwicklung grosse Aufmerksamkeit unsererseits gefordert. Ehrlich gesagt: Eine Verbesserung wird nicht einfach werden. Das Bedürfnis nach mehr Begegnungsmöglichkeiten können wir bestimmt berücksichtigen. Über viele konkrete Wünsche kann aber erst später entschieden werden, da wir uns noch immer in einer frühen Planungsphase befinden. Wir schaffen derzeit die Grundlage, damit die Metalli von morgen den eingangs erwähnten gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung tragen und der Bevölkerung einen Mehrwert bringen kann.
Wieso haben Sie sich für ein Hochhaus entschieden?
Der zentrale Hochpunkt mit einem rund 70 Meter hohen Bau erlaubt es uns, die gewünschten Freiräume auf dem Areal zu schaffen. Die von Zug Estates entwickelte Suurstoffi zeigt exemplarisch auf, wie das gelingen kann. Meiner Meinung nach fügt sich das Hochhaus gut in die Silhouette der Stadt ein und wirkt nicht dominant.
Die Klimadebatte hält auch beim Städtebau Einzug. Was heisst das für die Stadtentwicklung?
Grundsätzlich helfen viel Grün und Wasserflächen, dem sogenannten Hitzeinseleffekt vorzubeugen. Beim Projekt in der Metalli denken wir an begrünte Dächer, Fotovoltaikanlagen zur Produktion sauberer Energie und den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen in der Aufstockung von Gebäuden. Zudem wird auch der Seewasserenergieverbund Circulago integriert. Der neue Lauriedhof vor der Migros wird ein introvertierter Hof und erhält dank engen Gassen und einem begrünten Platz ein kühleres Mikroklima.