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«Viele variable Faktoren beeinflussen die Berechnung der Emissionen»

Seit 2020 berechnet Marco Caflisch von Amstein + Walthert die energie- und wasserbezogenen Kennzahlen von Zug Estates. Im Interview erklärt er die Komplexität der Materie und wo die Herausforderungen in der Bilanzierung liegen.

Philipp Hodel

21. Februar 2024

Herr Caflisch, Sie begleiten seit dem Geschäftsjahr 2020 die Zug Estates AG in der Energie- und Treibhausgasbilanzierung. Was hat sich über die Jahre der Bilanzierung grundlegend verändert?

In der Bilanzierung des Energieverbrauchs der Zug Estates AG, wie auch in der branchenweiten Bilanzierungsmethodik der Treibhausgasemissionen, haben seit dem Start der Zusammenarbeit einige Veränderungen stattgefunden. Wichtig war im Geschäftsjahr 2020 die Transformation der Treibhausgasbilanzierung der Zug Estates, weg von der Lebenszyklusansicht, hin zur Aufteilung der Emissionen in die drei Scopes gemäss dem Greenhouse Gas Protocol (GHGP). Somit konnte die Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen verbessert werden.

Mit Freude habe ich auch die schnelle Substitution der fossilen Energie durch den kontinuierlichen Ausbau der Fernwärmeanbindung verfolgt, was in den letzten 10 Jahren zu einer beeindruckenden Reduktion der Treibhausgasemissionen um 94% geführt hat.

Im Geschäftsjahr 2022 wurde ab der zweiten Jahreshälfte erstmalig auch das Renggli-Portfolio (seit Sommer 2022 im Besitz von Zug Estates) in die Bilanzierung mit aufgenommen. Die mehrheitlich noch mit fossilen Energieträgern beheizten Liegenschaften im Renggli Portfolio führten dann auch zu einem minimalen Anstieg der Treibhausgasemissionen der Zug Estates AG. Im abgeschlossenen Geschäftsjahr 2023 ist nun ein ganzes Betriebsjahr des Renggli-Portfolios in der Bilanzierung enthalten, was zu einem Anstieg der spezifischen Emissionen von 1.0 auf 1.1 kg CO2eq/ m2 Energiebezugsfläche (EBF) zum Vorjahr führt.

Absenkpfad Zug Estates


Zur Berechnung von Treibhausgasemissionen werden Emissionsfaktoren für die verschiedenen Energieträger verwendet. Diese Emissionsfaktoren wurden in der aktuellen Bilanzierung des Geschäftsjahrs 2023 aufgrund der neuen Ökobilanzdaten angepasst. Welche Veränderung gab es und welchen Einfluss hat die Veränderung auf die Bilanzierung von Zug Estates?

Die eingesetzten Emissionsfaktoren in der Bilanzierung basieren auf den Ökobilanzdaten im Baubereich der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (kurz KBOB). Im Rahmen dieser Ökobilanzierung werden alle vier Jahre die Emissionsfaktoren als Lebenszyklusbetrachtung vom Bundesamt für Bauten und Logistik aktualisiert. Für die verwendete Scopebetrachtung werden die von KBOB publizierten Emissionsfaktoren jeweils in deren Anteile nach Scope 1-3 aufgeteilt (gemäss intep Studie, 2022, Treibhausgas-Emissionsfaktoren für den Gebäudesektor, Volkart, E., Kook Nauser, I., Alig, M.).

Für das Geschäftsjahr 2023 wurde eine Aktualisierung dieser Emissionsfaktoren anhand der im Jahr 2022 publizierten 4. Version der Ökobilanzdaten (KBOB 2022) vorgenommen. Dabei kommt es bei den Emissionsfaktoren einzelner Energieträger aufgrund neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie methodischen Anpassungen in der Ökobilanzierung zu Veränderungen im Vergleich zu den alten Ökobilanz Werten (KBOB 2017). Diese Abweichungen haben auch einen Einfluss auf die Bilanzierung von Zug Estates. Die Verwendung der neusten Emissionsfaktoren in allen Geschäftsjahren führt bei Zug Estates zu einem geringen Anstieg der jährlichen Treibhausgasbilanz von max. 0.2 kg CO2eq/ m2 EBF im Vergleich zu den alten Emissionsfaktoren. Diese wiederkehrenden und punktuellen Aktualisierungen der Emissionsfaktoren verdeutlichen, dass die Treibhausgasbilanzierung von Unternehmen nicht bis auf die Dezimalstelle exakt sein wird.

Die Emissionsfaktoren für den Mieterstrom weisen in diesem Jahr einen grossen Sprung aus. Konkret stiegen sie ohne offensichtliche Gründe von 31.9 auf 205.1 Tonnen. Worauf ist dies zurückzuführen?

Für die Berechnung dieser Emissionen wurde in der Vergangenheit der jährlich publizierte Emissionsfaktor des Schweizer Lieferantenstrommix der Association of issuing bodies (AIB) verwendet. Die berechneten Faktoren der AIB liegen in den Jahren 22/23 deutlich unter den publizierten Faktoren der Intep Studie, welche auch für das REIDA Reporting verwendet werden. Es ist nicht auszuschliessen, dass in der Datenquelle des berechneten Strommixes der AIB ein Fehler vorliegt. Aufgrund der Teilnahme der Zug Estates AG am REIDA Reporting wurde entsprechend auch der Emissionsfaktor rückwirkend für die Bilanzierung des Mieterstroms angepasst. Dies führt in der Berechnung der Treibhausgasemissionen des Mieterstroms zu einem deutlichen Anstieg, welcher auf die Änderung des Emissionsfaktors zurückzuführen ist.

Zug Estates hat dieses Jahr erstmals auch am REIDA-Reporting teilgenommen. Wie unterscheidet sich die Bilanzierung im REIDA-Reporting von der Bilanzierung im Nachhaltigkeitsbericht?

Der Unterschied der beiden Bilanzierungen liegt in der Emissionsberechnung der von Zug Estates eingekauften Energieprodukte. In der sogenannten «market-based Methode» werden die gemessenen/abgerechneten Energieverbräuche der effektiv eingekauften Energieträger von Zug Estates bilanziert. Konkret bedeutet dies, dass in der Berechnung für den Nachhaltigkeitsbericht die effektiven Emissionen durch den Wasserkraftstromimport aus Europa seit dem Jahr 2022 sowie der Energieträgereinsatz durch den Fernwärmeeinkauf (Wärmeverbund Circulago) bilanziert wird. Im REIDA Report wird die «market-based Methode» für die Vergleichbarkeit vereinfacht und im Fall der Zug Estates AG mit pauschalen Emissionsfaktoren für ein 100 % erneuerbares Strom- und Fernwärmeprodukt gerechnet, weshalb die Emissionen etwas höher sind. Diese unterschiedliche Genauigkeit für die Emissionsberechnung der verbrauchten Energieträger wird in der Gegenüberstellung der beiden Bilanzierungen immer zu einer geringen Abweichung führen.

Neben der angesprochenen «market-based Methode» gibt es noch die «location-based Methode». Worin unterscheiden sich diese beiden Methoden?

Für die Treibhausbilanz nach der «location-based Methode» werden die Emissionswerte des Schweizer Strom- und Fernwärmemixes verwendet. Speziell beim Fernwärmeeinkauf sorgt die «location-based» Methodik für die Vergleichbarkeit von Portfolios an unterschiedlichen Standorten. Beispielsweise können die Liegenschaften des Unternehmens 1 am Standort X an einen Seewasserverbund und des Unternehmens 2 am Standort Y an einen Holz-/Erdgasverbund angeschlossen werden. Dieser Standortvorteil beim Einkauf von Fernwärme des Unternehmens 1 bezüglich der Treibhausgasbilanz hat in der «location-based Methode» keinen Einfluss, da der Fernwärmeeinkauf in dieser Methode mit dem Emissionsfaktor des Schweizer Fernwärmemix berechnet wird. Die «market-based Methode» liefert somit eine ziemlich exakte Treibhausgasbilanz des Unternehmens, während die «location-based Methode» die Vergleichbarkeit von Portfolios und Unternehmen unabhängig von standortspezifisch eingekauften Energieprodukten ermöglicht. Im Falle von Zug Estates mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Strom- und Fernwärmeprodukten im Portfolio steigt die Treibhausgasbilanz mit den Standard Energiemix Produkten in der «location-based Methode» deutlich an.

Zug Estates hat in diesem Jahr die Berichterstattung zu den Scope 3 Emissionen stark erweitert. Wie gross ist die Bedeutung dieser Emissionen im Vergleich zu Scope 1 und 2?

Wir versuchen bei allen unseren Kund:innen die Berichterstattung der vor- und nachgelagerten Emissionen (Scope 3) ihrer Dienstleistungen und Produkte jährlich zu erweitern. Die Studie der Globalance Bank zeigt eindrücklich, wie hoch der Anteil der Scope 3 Emissionen in den einzelnen Branchen ausfällt. Bei Immobilienfirmen fallen durchschnittlich 50% der Gesamtemissionen in der Kategorie Scope 3 an. Dies sind vorgelagerte Emissionen, die im Einkauf von Dienstleistungen, Produkten, Transport und Energie stecken. Weiter zählen dazu auch Emissionen die in Form von Liegenschaftsverkäufen, Geschäftsreisen, Mitarbeitermobilität, Mieterstrom und Abfall entstehen.

Gewichtung Scope 1-3

Wo liegen die grössten Herausforderungen bei der Berechnung von Scope 3 Emissionen?

Ein hoher Anteil der Scope 3 Emissionen für eingekaufte Dienstleistungen/Produkte von Zug Estates fallen als Scope 1+2 Emissionen beim Lieferanten an. Aktuell ist es aber nach wie vor schwierig, von den Lieferanten die Treibhausgasbilanzen ihrer Dienstleistungen und Produkte zu erhalten. Entsprechend sind immer noch viele Grundlagedaten für die Scope 3 Berechnung nicht vorhanden und/oder die Beschaffung bei Lieferanten ist sehr zeitintensiv. Aufgrund der internationalen Bewegung zur transparenten Nachhaltigkeitsberichterstattung werden sich die Datenlücken bezüglich der Scope 3 Bilanzierung zukünftig weiter reduzieren.

In der Treibhausgasbilanz der Zug Estates AG fallen die vorgelagerten Emissionen durch den mehrheitlichen Verbrauch von erneuerbaren Energieträgern (Wasserkraftstrom und Fernwärme mit Umgebungswärme/Biogas) stärker ins Gewicht als die Scope 1+2 Emissionen. Entsprechend fallen auch bei anderen Immobilienunternehmen diese vorgelagerten Emissionen stark ins Gewicht, sofern Sie die Scope 1+2 Emissionen durch den Einsatz von erneuerbaren Energien bereits reduziert haben.

Der Interviewpartner

Als Mitglied des Nachhaltigkeitsteams führt Marco Caflisch seit dem Geschäftsjahr 2020 die jährliche Energie- und Treibhausgasbilanzierung der Zug Estates AG durch. Bereits während des Masterstudiums (MSc FH Energy & Environment) setzte sich Marco Caflisch als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule OST für die Substituierung fossiler Energie durch Sonnenenergie ein. Seit nun vier Jahren berät er bei der Amstein + Walthert AG mit seiner Expertise in der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategie, Treibhausgasbilanzen, Solarenergie und Absenkpfade verschiedene Kund:innen in ihren Nachhaltigkeitsbestrebungen.

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