2023 hat Zug Estates die Charta Kreislauforientiertes Bauen unterzeichnet. Das ehrgeizige Projekt mit Beteiligung von Zug Estates macht grosse Fortschritte und kann bereits erste konkrete Resultate vorweisen, wie Peter Wicki, Leiter Projektentwicklung erklärt. 

Philipp Hodel

19. Februar 2025

Interviewpartner: Peter Wicki, MRICS, ist diplomierter Architekt ETH mit einem Master of Science in Real ­Estates (CUREM) und leitet bei der Zug ­Estates AG als Mitglied der Geschäfts­leitung die Projektentwicklung.

Welchen Einfluss hat die Immobilienbranche auf den ökologischen Fussabdruck der Schweiz?

Peter Wicki: Der Bau und Betrieb von Gebäuden und Infrastrukturen ist verantwortlich für rund 50 Prozent des Rohstoffbedarfs, einen Drittel der CO2-Emissionen und über 80 Prozent des Abfallaufkommens in der Schweiz. Wir erwarten weiterhin eine starke Bautätigkeit. Daher ist es ein Gebot der Stunde, den Ressourcenverbrauch zu minimieren und auch die Erreichung der Klimaziele sicherzustellen.


Wo setzt die Charta «Kreislauforientiertes Bauen» an und was sind ihre Ziele?

Zwölf Organisationen und Unternehmen, darunter auch Zug Estates, haben 2023 eine Vereinbarung, die Charta, unterzeichnet, über die sie sich bereit erklärt haben, Projekte umzusetzen und Investitionen zu tätigen, welche die Bauwirtschaft kreislauffähiger und ressourcenschonender machen. Im ­vergangenen Jahr sind weitere Mitglieder dazu gekommen; weitere werden folgen. Wir hegen das Ziel, gemeinsam voneinander zu lernen und aus dem gewonnenen Wissen Projekte im eigenen Unternehmen zu starten. Auch die Erarbeitung von wissenschaftlich fundierten Grundlagen gehört zum erklärten Projektziel.
 

Wo sieht die Charta Ansatzpunkte, die Kreis­­­lauffähigkeit zu erhöhen und die Emissionen zu ­reduzieren?

Wir haben sechs Aktionsfelder definiert, um den Rohstoffbedarf, Abfall und Emissionen zu reduzieren. Der erste Schritt beginnt bereits vor der eigentlichen Planungsphase. Vor dem Entscheid, ein Gebäude abzureissen, müssen Alternativen geprüft werden. Fällt der Entscheid auf einen Neubau, sollen Gebäude langfristig gebaut werden, in dem die Grundstruktur für künftige Nutzungsanpassungen flexibel bleibt. In dieser Phase sind Überlegungen zur Optimierung und Reduktion essenziell. Dies kann zum Beispiel durch den Wegfall von Untergeschossen oder der Optimierung von Gebäudeschichten der Fall sein. Wichtig sind auch Konzepte zu den verbauten Bauteilen. Diese sollen einfach demontier-, trenn- und wiederverwendbar sein. Und nicht zuletzt sollen wo immer möglich umweltfreundliche Materialen gewählt werden. Für das Jahr 2025 hat sich die Charta vor allem die Reduktion von grauer Energie als Schwerpunktthema gesetzt. 

Quelle: Charta Kreislauforientiertes Bauen

Bei diesen Themen stellt sich immer die Frage nach der Messbarkeit von grauer Energie, Emissionen oder Abfallmengen. Welches sind die Herausforderungen? 

Die Berechnung der grauen Energie ist heutzutage über die KBOB-Ökobilanzdaten oder SIA-Normen bereits recht klar definiert. Gerade für die Optimierung von Gebäuden sind die Granularität und Detailtiefe jedoch noch ungenügend. In der Charta befassen wir uns daher mit Themen der Kompatibilität der errechneten Werte, dem Umgang mit nicht vorhandenen Daten oder der Frage nach Referenzgrössen. Dazu ein Beispiel: Die graue Energie eines Gebäudes kann heute gut berechnet werden. Aber wie und womit vergleiche ich das Resultat? Welches sind die relevanten Hebel und Möglichkeiten, um weitere Verbesserungen auch auf Bauteilstufe zu erreichen? Hier suchen wir in Arbeitsgruppen Antworten.

Was hat Zug Estates bisher von dieser Zusammenarbeit mitgenommen?

Wir haben für das Neubauprojekt S43/45 auf dem Suurstoffi-Areal, bei dem der Baustart Ende 2024 erfolgt ist, nicht nur viele Erkenntnisse gewonnen, sondern haben auch eine Reihe von Massnahmen umgesetzt. Wir konnten die graue Energie signifikant reduzieren, indem wir sowohl ein Untergeschoss weggelassen als auch den Glasanteil an der Fassade reduziert haben sowie beim Bau Recyclingbeton einsetzen werden. Nutzungsflexibilität ist in diesen Gebäuden ein grosses Thema und nicht zuletzt wurde die Gebäudetechnik massiv vereinfacht.
 

Was ist die Motivation von Zug Estates und den anderen Teilnehmenden, an der Charta mitzuarbeiten? 

Zug Estates verfolgt seit vielen Jahren ehrgeizige Ziele im Bereich der Nachhaltigkeit und misst der Zukunftsfähigkeit in allen Aspekten ihres Handelns ein sehr hohes Gewicht bei. Entsprechend war es für uns von Anfang an klar, dass wir bei der Charta aktiv mitarbeiten und Lösungsansätze zusammen mit Branchenkollegen erarbeiten möchten. Die beteiligten kotierten Unternehmen erhoffen sich, in Bezug auf ESG-Ratings einen Schritt vorwärts machen zu können, während öffentliche Organisationen eine Vorbildfunktion einnehmen möchten. Allgemein gilt: die Motivation in den Arbeitsgruppen ist hoch und stark geprägt von der intrinsischen Motivation der einzelnen Teilnehmenden.

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